VW ist nicht Tesla
Gerald Balser, 29.April 2022
Der CEO des VW-Konzerns, Herbert Diess, war der Erste innerhalb der deutschen Automobilindustrie, der erkannte, dass die automobile Zukunft elektrisch sein wird. Er entwickelte den Ehrgeiz, in der Welt auch beim E-Auto die Nr. 1 zu werden. Mit der Power seiner fünf Konzernmarken VW, Audi, Skoda, Seat und Porsche ist dieser Anspruch auch nicht unbegründet. Digitale Elektronik und die Batterie sind beim E-Auto das Herzstück. Folgerichtig stieg VW nach dem Vorbild von Tesla groß in diese für Autobauer fremde Technik ein. Nach den üblichen anfänglichen Schwierigkeiten funktionierte die Software bei VW, gerade noch rechtzeitig zum aktuellen Boom der E-Autos. VW kann seine neuen Stromer, VW ID.3 ID.4, ID.5 und ID.Buzz, gar nicht so schnell bauen und liefern, wie diese nachgefragt werden. Das liegt allerdings nicht am Hersteller, sondern an den Zulieferern. Auch Skoda besitzt mit dem Enyaq iV einen Renner und Seat kann mit seiner sportlichen Version des ID.3, dem Cupra Born, punkten. Audi deckt mit seinen e-tron-Modellen und Porsche mit dem Taycan das obere Segment ab. Der VW-Konzern hat mit dieser breiten Modell-Palette die besten Voraussetzungen, Tesla den Rang abzukaufen. Dennoch scheint Tesla unerreichbar. Elon Musk ist seiner Konkurrenz technisch immer ein Schritt voraus.
Wenn man der Meinung ist, dass die ganz große Reichweite und die superschnelle Aufladung nicht unbedingt nötig sind, wäre dann der preislich günstigere VW die bessere Wahl? Anders als der damals noch sehr kleine Hersteller Tesla hat es der riesige VW-Konzern versäumt, ein dichtes Netz mit vor allem Schnellladesäulen aufzubauen. Der Versuch mit dem zum VW-Konzern gehörenden Wallbox-Anbieter "Elli" kommt nicht aus den Kinderschuhen. Immerhin ermöglicht Elli das Laden bei vielen Anbietern. Die Zusammenarbeit mit dem großen Anbieter "IONITY" brachte auch nicht den richtigen Schwung. IONITY konzentriert sich vor allem entlang der deutschen Autobahnen. Das Ladenetz in Deutschland und ganz Europa ist ein einziges Chaos, zu viele kleine und große Anbieter, jeder mit seinem eigenen System, zu kompliziert, zu löchrig, zu schwach. Der Fahrer eines Tesla kennt diese Probleme nicht. Der hat die große Auswahl. An der Tesla-Station hat er keine Konkurrenz. Ausschließlich Tesla-Modelle können hier laden. Umgekehrt gilt dies nicht. Der Tesla-Fahrer hat die freie Wahl.
Sollten bei einem Wegfall der äußerst attraktiven Umweltprämie die Verkäufe nicht wieder zurückgehen, dann darf das Laden der Batterie eines vollelektrischen Autos nicht viel komplizierter sein als Tanken an der Tankstelle. Davon sind wir aber noch meilenweit entfernt. Tesla reibt sich die Hände.
P.S.
Nach neuesten Informationen wird IONITY sehr bald das "Plug-in&Charge"-System einführen. Die Ladesäule erkennt das Fahrzeug beim Anschluss und lädt. Ein Identitätsnachweis durch App oder Ladekarte wäre nicht mehr notwendig. Das wäre die Lösung. Jetzt fehlt nur noch das entsprechende Netz in den Städten.