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Dieselurteil – ein Sieg der Vernunft?
(28. Februar 2018)
Die selbsternannten Umweltschützer jubeln. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat am 27. Februar 2018 entschieden, dass aufgrund erhöhter Stickoxidemissionen (NOx) Fahrverbote ausgesprochen werden können, also nicht müssen, somit Fahrverbote grundsätzlich zulässig sind. Wie das im einzelnen gehandhabt werden soll, sagt das Gericht allerdings nicht. Dafür ist die Politik zuständig.
Seit der Dieselaffäre Ende des Jahres 2015 steht der Dieselmotor in der Öffentlichkeit unter Beschuss. Dabei hatte der Diesel lange Jahre den Ruf, besonders sparsam, effektiv, langlebig und damit auch CO2-arm zu sein. Viele Gründe für nahezu alle Regierungen in Westeuropa, den Dieselmotor zu fördern, vor allem durch den Verzicht auf einen Teil der Kraftstoffsteuer. Oberstes Ziel der deutschen Hersteller war bisher eine ständige Verbesserung der exzellenten Technik und eine Minimierung des Verbrauchs. Aufgrund dieser vielen Vorzüge erlebte der Diesel-PKW einen regelrechten Boom und wurde zum Marktführer.
In Deutschland rückte urplötzlich, nach dem Vorbild der USA, die Gefährlichkeit der Stickoxide für die Gesundheit der Bevölkerung in den Mittelpunkt der Diskussion. Dem Diesel traut der Umweltschutz die Lösung der Gesundheitsprobleme nicht mehr zu, schon gar nicht lediglich mit Hilfe einer Software, wie beim Dieselgipfel Anfang August 2017 beschlossen. Dabei ist laut VDI (Verein Deutscher Ingenieure) technisch gesehen die Einhaltung strenger Schadstoffgrenzwerte beim Dieselmotor kein Problem. Allerdings, wie häufig im Leben, ist dies eine Frage des Geldes. Der Einbau einer entsprechenden Abgasreinigungsanlage kostet bis zu 3.000 € und kann Dieselfahrzeuge der unteren Klassen schnell unwirtschaftlich werden lassen und nur noch für teure Autos sinnvoll sein. Daher verwundert es nicht, dass ein neuer tonnenschwerer LKW-Diesel mit serienmäßiger Abgasreinigung zurzeit weniger Stickoxide ausstößt als z. B. ein VW Golf TDI mit einfachem Software-Update. VW hat daraus bereits die Konsequenzen gezogen und bietet - wie auch andere Hersteller - für die meisten seiner Dieselmodelle einen SCR-Katalysator (Selective Catalytic Reduction) an. Dieser wandelt die Abgaskomponente Stickoxid (NOx) ohne Bildung von unerwünschten Nebenprodukten selektiv zu Stickstoff (N2) und Wasser (H2O) um. Die Umwandlung erfolgt dabei unter Verwendung einer synthetisch hergestellten, wässrigen Harnstofflösung (AdBlue), das in einem Zusatztank mitgeführt wird.
Aufgegeben haben die Automobilindustrie und ihre Zulieferer den Diesel noch nicht. Die Firma Baumot (ehem. Twintec) wirbt mit einer Abgasreinigungsanlage, die noch sauberer als die von VW sei. Ein mit diesem System ausgerüsteter VW Passat 1.6 TDI liege unter den Werten fast aller Euro-6-Diesel und sogar der vom Fahrverbot in den Städten bedrohte Euro-5-Diesel könne mit dem Baumot-System nachgerüstet werden. Angaben über die Höhe der Emission von Stickoxiden macht der Hersteller nicht. Es wird lediglich pauschal versichert, dass die NOx-Emissionen um mehr als 90 Prozent reduziert und die Grenzwerte nicht überschritten werden. Auch das neue System von Baumot verwendet Harnstoff (AdBlue), allerdings mit dem Unterschied, dass der Zusatzstoff erhitzt wird. Dadurch wirkt die Abgasreinigung bereits kurz nach dem Kaltstart. Nachteilig bei der Hardware-Lösung ist ein erhöhter Kraftstoffverbrauch und ein häufiges Nachtanken des Harnstoffes. Die neueste Rettungsaktion des Diesel findet in Norwegen statt, das den Bau von zehn gigantischen Fabriken zur Herstellung eines angeblich sauberen Diesels (Blue Crude habe einen 10 bis 20 % geringeren Stickoxidausstoß) angekündigt hat. Diesen Wunderdiesel wollen die Firmen Nordic Blue Crude AS, Sunfire, Climeworks, EDL Anlagenbau und weitere Partner aus Kohlendioxid, Wasserstoff und elektrischem Strom mit Hilfe von Wasserkraft klimaneutral produzieren.
Aber ist der Diesel überhaupt zu retten? Die Axt an die Wurzel des Dieselautos ist bereits gelegt. Um Deutschland herum beginnt es zu bröckeln. In einigen europäischen Großstädten gilt für den Diesel bereits ein Fahrverbot und nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts könnte Hamburg die erste deutsche Großstadt mit einem Fahrbverbot werden. Frankreich und Großbritannien wollen den Verkauf von Autos mit Verbrennungsmotor ab 2040 verbieten, also auch das Hybridauto. In Norwegen sollen laut Gesetz schon ab 2025 alle neuen PKW abgasfrei sein. Bereits heute ist in Norwegen der Anteil von E- und Hybridautos bei den Neuzulassungen auf über 50 % gestiegen. In Norwegen erscheint diese Entscheidung folgerichtig, denn dort wird der Strom zu 100 % alternativ (vor allem aus Wasserkraft) gewonnen. Auch in Deutschland haben die Verbraucher bereits auf den Dieselskandal reagiert. Die Absatzzahlen und damit verbunden auch der Marktanteil des Diesels gehen kontinuierlich und zunehmend zurück. Laut KBA verringerte sich bei den Neuzulassungen der Anteil der dieselbetriebenen PKW im Jahr 2017 auf 38,8 %, der Anteil der Benziner dagegen erhöhte sich auf 57,7 %.
Der Prozess in Leipzig war erstaunlicher Weise nicht die Konsequenz aus dem Aufschrei der Masse besorgter Bürger um ihre Gesundheit und auch nicht das Ergebnis intensiver Diskussionen im Bundestag bzw. in den Landesparlamenten, sondern resultiert einzig und allein aus einer Klage eines kleinen Vereins mit knapp dreihundert Mitgliedern, der Deutschen Umwelthilfe e.V. (DUH) und dessen rührigen Geschäftsführer Jürgen Resch. Dessen Vorgehen erinnert an den kalifornischen Verbraucherschutzanwalt und Symbolfigur der Linksalternativen der 70er Jahre Ralf Nader. Auch dieser hatte sich die mächtige Autolobby als Feindobjekt ausgesucht und ständig vor sich hergetrieben. Alle linksorientierten Parteien treten bereits ein in den Wettbewerb um das drohende Fahrverbot für ältere Dieselfahrzeuge in den Städten. Stichwort „Blaue Plakette“. Für die kutzfristige Rettung mit Hilfe der Hardware-Nachrüstung (SCR und AdBlue) fehlt die allgemeine Genehmigung durch den Gesetzgeber. Und bis es soweit ist, können noch viele Monate vergehen. Zurzeit ist eine Euro-6-Nachrüstung nur in einem sehr teuren und komplizierten Einzelverfahren möglich.
Nicht diskutiert wird allerdings, dass die erhöhten Stickoxide in Deutschland kein allgemeines, flächendeckendes Problem sind. Die hohen Werte werden nur in einigen Städten und auch dort nur an bestimmten neuralgischen Standorten gemessen. Es wird auch nicht erwähnt, dass die Messwerte aufgrund der technischen Verbesserungen seit einigen Jahren kontinuierlich zurückgehen, aber wegen der ebenfalls ständig reduzierten Grenzwerte im Grunde verpuffen. Über den Anteil des Stickoxidausstoßes, verursacht durch die vielen holzbefeuerten offenen Kamine und Kachelöfen und die noch vor kurzer Zeit hochgelobten Heizungen mit Holzpellets, wird das Tuch des Schweigens gelegt, genauso wie bei der Verantwortung der Stadtwerke über die vielen Dieselbusse im Nahverkehr. Und schließlich ist die Frage offen, welche Kriterien die Höhe der aktuell gültigen Grenzwerte beeinflusst und letztlich festgelegt haben. Die Korrelation zwischen Dieselmotor und Stickoxydtote wurde bisher ebenfalls nicht offen gelegt und für die publizierten Totenzahlen gibt es offensichtlich keine Statistik.
Daher liegt der Verdacht nahe, dass es den Kritikern gar nicht nur um einen sauberen Diesel geht. Auch wenn der Dieselkraftstoff alle Forderungen des Umweltschutzes erfüllen sollte, wird der Schlachtruf "Der Diesel muss weg!" weiterhin erschallen. Ausgesprochen wird Diesel, gemeint ist aber der Verbrennungsmotor insgesamt. Die Vorstellung nur von schadstofffreien Autos umgeben zu sein, hat einen gewissen Charme. Was die Idee aber gefährlich macht, ist die kompromisslose Ungeduld, die bei der Forderung nach der Umsetzung vorherrscht. Deutschland ist eben nicht Norwegen. Unser aktueller Energiemix zur Produktion von Strom (40 % Kohle) macht alle Umweltträume zunichte. Nicht vergessen, darf man die Tatsache, dass wir unseren Wohlstand und unseren Sozialstaat, auf den niemand verzichten möchte, zum größten Teil unserer Automobilindustrie als der Schlüsselindustrie verdanken. Für eine Abwägung der Vorteile und Risiken sollte man sich schon die Mühe machen und auch die Zeit nehmen.
Und wer soll die Kosten für notwendige Nachrüstungen bzw. dem Wertverfall der im guten Glauben erworbenen Diesel-Fahrzeuge übernehmen? Bleiben die Kosten beim betrogenen Kunden kleben oder springt der Staat mit Abwrackprämien als Retter ein oder sollten logischerweise die Hersteller als die Verursacher die entstehenden Kosten tragen? Autokritiker und Politik sind sich einig, bezahlen soll die Nachrüstung natürlich der Verursacher, also der Hersteller. Ein weiteres Milliardengrab für VW & Co? Für die Hersteller ist es eigentlich egal, welche Lösung sich durchsetzten wird. Bei diesem „Schwarzer-Peter-Spiel“ landen alle Kosten immer beim Endverbraucher, entweder direkt über Preiserhöhungen beim einzelnen Käufer und/oder indirekt beim Steuerzahler.
Sollte demnächst die steuerliche Begünstigung des Dieselkraftstoffs wegfallen und der Literpreis an der Tankstelle (wie z. B. schon immer in der Schweiz und in den USA) über dem des Super-Benzins liegen, dann könnten beim Dieselkäufer die positiven Argumente für den Diesel „billig, sparsam und effizient“ endgültig wegfallen. Unabhängig davon macht bei der Globalisierung der Märkte und der Abhängigkeit der deutschen Automobilindustrie von China das Festhalten an den guten alten Diesel wahrscheinlich wenig Sinn. Der für die geamte deutsche Automobilindustrie wichtigste riesige chinesische Markt wird sehr wahrscheinlich die Richtung weisen und dieser zeigt unmissverständlich auf das E-Auto. Die VW-Tochter Porsche hat bereits die Konsequenzen gezogen und angekündigt, das Angebot von Dieselfahrzeugen ganz aufzugeben. Als unumschränktem Marktführer bei Sportwagen und Anbieter besonders sportlicher Fahrzeuge dürfte dies Porsche nicht allzu schwer gefallen sein.
Fakten: Schadstoffemissionen, Grenzwerte und Umweltbelastung
Wie so vieles kommt auch die Einrichtung der Abgasnormen aus den USA, genauer gesagt aus Kalifornien. Dies ist nicht verwunderlich, denn die Politik und auch die Bewohner wollten es nicht länger hinnehmen, dass der dichte Sommersmog in Los Angeles den Blick von den Bergen Hollywoods, trotz strahlenden Sonnenscheins, auf die Stadt nicht zuließ. Die ersten für Kalifornien einheitlichen Abgasvorschriften traten bereits 1970 in Kraft. In der EU wurde erst 1992 die Typengenehmigung von Pkw von der Einhaltung der Norm Euro 1 abhängig gemacht.
Seit dem 1. September 2017 gilt die Norm Euro 6c bzw. Euro 6d-TEMP. Die werden ab 1. Januar 2020 von der Norm 6d abgelöst.
Folgende Emissionsgrenzwerte sind zurzeit von Pkws mit Benzinmotor einzuhalten:
CO | Kohlenstoffmonoxid | 1000 mg/km |
HC | Kohlenwasserstoff | 100 mg/km |
NOx | Stickoxid | 60 mg/km |
PM | Partikelmasse Feinstaub | 4,5 mg/km |
PN | Partikelzahl Feinstaub | 6 x 10 Partikel/km |
Folgende Emissionsgrenzwerte sind zurzeit von Pkws mit Dieselmotor einzuhalten:
CO | Kohlenstoffmonoxid | 500 mg/km |
NOx | Stickoxid | 80 mg/km |
PM | Partikelmasse Feinstaub | 4,5 mg/km |
PN | Partikelzahl Feinstaub | 6 x 10 Partikel/km |
Kohlenstoffmonoxid und Kohlenwasserstoff gelten als Klimakiller, Stickoxid und Feinstaub als toxisch, also als gesundheitsgefährdend.
Die Abgasnormen der EU haben zum Zweck, die Umweltbelastung in unseren Städten und insbesondere in den Ballungszentren zu reduzieren. Bei den Stockoxiden gilt ein Grenzwert im Außenbereich von 40 mg/cbm.
Folgende Städte überschritten 2017 den Grenzwert im Jahresmittel:
München | 78 | Oldenburg | 49 | Osnabrück | 44 |
Stuttgart | 73 | Wuppertal | 49 | Halle/Saale | 43 |
Köln | 62 | Hagen | 48 | Leonberg | 43 |
Reutlingen | 60 | Mainz | 48 | Nürnberg | 43 |
Hamburg | 58 | Tübingen | 48 | Gießen | 42 |
Düsseldorf | 56 | Frankfurt/Main | 47 | Essen | 41 |
Kiel | 56 | Solingen | 47 | Regensburg | 41 |
Heilbronn | 55 | Aachen | 46 |
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Darmstadt | 52 | Gelsenkirchen | 46 |
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Ludwigsburg | 51 | Leverkusen | 46 |
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Dortmund | 50 | Limburg/Lahn | 45 |
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Wiesbaden | 50 | Mannheim | 45 |
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Berlin | 49 | Augsburg | 44 |
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Freiburg/Br. | 49 | Hannover | 44 |
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Oberhausen | 49 | Ludwigshafen/Rh. | 44 |
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