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Ist die deutsche Automobilindustrie noch zu retten?
Gerald Balser, 7. November 2020
Deutschland ist Exportweltmeister und VW der größte Autobauer der Welt. Deutschland hat den Ruf, die besten Autos der Welt zu bauen. Leider wurde dieser gute Ruf durch den Dieselskandal beschädigt. Die Einseitigkeit der Berichterstattung war jedoch nicht ganz fair, denn inzwischen weiß man, dass nicht nur die Deutschen bei den Schadstoffemissionen betrogen haben.
Der Dieselskandal fand ausgerechnet zu einer Zeit statt, als sich die deutsche Automobilindustrie in einem Abwehrkampf gegen den internationalen Umweltschutz befand, die den Verbrenner ganz verbieten wollte und das E-Auto favorisierte. Den deutschen Premiummarken, die immer besonders stolz auf ihre leistungsstarken und verbrauchsarmen Benzin- bzw. Dieselmotoren waren, hätte eine rigorose Umsetzung dieser Politik ihre Führungsrolle gekostet. Freiwillig wollten Mercedes & Co. ihre Verbrenner sowie die Spitzenposition nicht aufgeben und redeten das E-Auto schlecht. Man war davon überzeugt, dass bei den vielen Nachteilen das E-Auto sehr bald wieder verschwinden würde. Gleichzeitig wurde das hohe Potential des Verbrenners betont. Die deutsche Automobilindustrie warnte, bei der Durchsetzung des E-Autos wäre unser aller Wohlstand in Gefahr. Mitleid mit den als überheblich empfundenen deutschen Premiummarken stellte sich im Ausland nicht ein.
Dann kam Tesla, eine kleine, bis dahin völlig unbekannte Firma aus dem Silikon Valley in Kalifornien und präsentierte auf der IAA 2013 in Frankfurt ihre sehr sportliche, vollelektrische Luxuslimousine Model S. Die deutschen Automobilmanager schauten zunächst ungläubig und waren danach geschockt. Das Model S erreichte nach Angaben des Herstellers die Werte eines Sportwagens, und dies bei unglaublichen Reichweiten. Tesla wagte sich in ein Segment, wo sich Mercedes mit der S-Klasse und BMW mit dem 7er vor Konkurrenz sicher wähnten. Die geringen Verkaufszahlen des Model S konnten unsere Manager zunächst wieder beruhigen.
Richtig gefährlich wurde die Situation erst mit dem Klimaengagement der europäischen Regierungen, also der Einführung von Emissionsgrenzwerten, die ständig verschärft wurden. Den Herstellern war klar, dass irgendwann der Zeitpunkt eintritt, bei dem es unwirtschaftlich ist, weitere Emissionen mit großem technischen Aufwand zu beseitigen. Die Situation verschärfte sich, als die chinesische Staatsführung mittelfristig ein Verbot des Baus von Benziner und Diesel ankündigte. Bei dieser Entwicklung würden die deutschen Hersteller bald mit leeren Händen dastehen. Aber auch für die deutschen Zulieferfirmen würden mit dem E-Auto schwere Zeiten anbrechen, denn das E-Auto hat im Vergleich zum Verbrenner nur ein Bruchteil an Einzelteilen.
Als sich die deutsche Regierung im Glauben, gute Umweltpolitik zu betreiben, gegen ihre eigene Automobilindustrie stellte und das E-Auto eindeutig bevorzugte, waren die Würfel gefallen. Nun rächte sich das Beharren am Verbrenner und der Verzicht auf reine, vollelektrische Autos. In einer Zeit, in der das E-Auto aufgrund sehr großzügiger Umweltboni boomt, steht die deutsche Automobilindustrie ohne attraktive Angebote bzw. mit viel zu kleinen Kapazitäten da. Den Rahm schöpfen die ausländischen Anbieter ab. Es gibt nur eine Ausnahme, der VW Konzern. Ihr CEO Herbert Diess hatte die Zeichen der Zeit noch gerade rechtzeitig erkannt und das Ruder gegen die Ansichten seiner CEO-Kollegen und auch gegen einflussreiche Teile innerhalb des Konzerns rumgerissen. Die hielten die frühe Entscheidung von Herbert Diess für die Elektromobilität und die dafür notwendige Milliarden Euro an Investitionen für eine Art "Wetten dass.....?. VW kann bereits die ersten Früchte seines neuen Modularen E-Antriebs-Baukasten (MEB) ernten. Die beiden ersten reinen E-Autos, der ID.3 (ein elektrischer Golf) und der ID.4 (ein elektrischer Tiguan) können bei den VW-Händler bestellt werden. Schlag auf Schlag werden weitere ID-Familienmitglieder und Versionen der anderen Konzernmarken auf den Markt kommen.
Mercedes ist noch lange nicht so weit. Der Premiumhersteller hat kein einziges als reines E-Autos konzipiertes Modell. Man wollte ganz einfach keine E-Autos. Jetzt wird die Zeit knapp. Mercedes behilft sich durch Umrüstung und leichte Veränderungen im Blech. So wurde aus dem Verbrenner GLC das E-Auto EQC. Bei BMW sieht es auch nicht viel besser aus. Der Verbrenner X3 wurde auf die Schnelle zum iX3 umgebaut. Die Produktion des erfolglosen E-Kleinwagen i3 sollte eigentlich gestoppt werden. Wegen des Booms hat es sich BMW anders überlegt und eine deutlich verbesserte neue Generation nachgeschoben. Elektrische Kompetenz sieht anders aus.
Mercedes GLC
Mercedes EQC
In den Medien, aber auch in der Politik, geistert immer wieder die Forderung nach dem Bau des Wasserstoffautos umher Man geht davon aus, dass die deutsche Automobilindustrie beim E-Auto den Anschluss bereits verloren habe, beim Wasserstoffauto aber eine Vorreiterrolle spielen könne. Beides ist falsch. In wenigen Jahren werden VW & Co. komplette E-Auto-Familien aufgebaut haben und somit einer der größten E-Autobauer der Welt sein. Allerdings wird die Abhängigkeit von asiatischen und US-amerikanischen Zuliefern immer noch groß sein. Mercedes hat erst kürzlich das Experiment Wasserstoffauto mit dem GLC F-Cell wieder aufgegeben. Die einzigen, die immer noch ein Angebot haben, sind Toyota mit dem Mirai und Hyundai mit dem Nexo, leider nicht minder erfolglos. Wasserstoffautos sind zu teuer, da technisch sehr aufwendig und ökologisch ineffizient. Eine Chance hätte diese eigentlich phantastische Technik nur bei sehr großen Motoren, z. B. in LKW und Bussen, aber auch bei Schiffen, Eisenbahn und Industrie.
Verstärkt werden die Probleme des technischen Wandels durch die aktuelle Corona-Pandemie. Der Absatz von Automobilen sinkt weltweit. Lediglich die E-Autos können einen Zuwachs vermelden. Entlassungen im großen Stil drohen nach dem Auslauf der Kurzarbeit bei Herstellern und Zulieferern. Da die Automobilindustrie in allen produzierenden Ländern im hohen Maße für den Wohlstand dort verantwortlich ist, also eine sog. Schlüsselindustrie ist, werden im Notfall staatliche Hilfen unausweichlich. Im äußersten Fall sind sogar Verstaatlichungen vorstellbar. Dass dies in Deutschland notwendig werden könnte, daran glaube ich nicht. Im Gegenteil, die deutschen Hersteller könnten eventuell die Nutznießer einer Marktbereinigung werden.
In gefährlichen Zeiten, bei denen es u. U. um alles geht, sollte man zusammenrücken. Ich spreche hier nicht von Fusionen, sondern von kostensparender Kooperation. Zunächst geht es aber darum, sich von der Abhängigkeit asiatischer Zulieferer zu befreien. Danach stellt sich die Frage, ob denn jeder Hersteller bzw. Zulieferer eine eigene Forschung und Entwicklung auf den Gebieten autonomes Fahren, Batterieherstellung, Software für Autos, Aufladenetz usw. betreiben muss? Einzelne deutsche Firmen haben es sehr schwer, gegen die asiatischen und US-amerikanischen Firmen der digitalen Technik anzutreten. Wenn die deutschen Hersteller überleben wollen, müssen sie ihr kleinkariertes Konkurrenzdenken überwinden und damit beginnen, sich zu gemeinsamen Projekten der Forschung und Entwicklungen zusammenzuschließen. Die dafür notwendigen riesigen Anstrengungen und immensen Investitionen könnten als Nebeneffekt einen unfreiwilligen Einstieg in die von der deutschen Industrie so gefürchteten digitalen Technik haben.
Inhaber und Autor
Dipl. Oec. Gerald Balser
St. Pete, FL, Oktober 2016
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