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Ist VW noch zu retten?
Gerald Balser, 17. Dezember 2024

Tatsächlich, für VW sieht es zurzeit sehr schlecht aus. Und ja, es geht sogar um sein oder nicht sein. Die Situation ist für VW nicht neu. Vor exakt 50 Jahren war es schon einmal so weit. VW schaute in den Abgrund, aber stieg wieder auf, wie der Phoenix aus der Asche. Dies war aber kein Wunder. Die Gründe für die schwere Krise waren eindeutig und überschaubar. VW hatte das neue Konzept „wassergekühlter Frontmotor“ regelrecht verschlafen und das VW-Erfolgsrezept „luftgekühlter Heckmotor“ war am Ende.  

VW hatte großes Glück. Die Tochter Audi hatte bereits die modernen Modelle im Angebot und konnte mit dem Audi 80 bzw. dem Audi 50 aushelfen. VW machte daraus den Passat und den Polo. Für eine Sanierung, für eine bessere Kapazitätsauslastung der Werke waren diese klugen Maßnahmen zu wenig. VW ging einen Schritt weiter und verordnete einen Lohn- und Gehaltsstopp. Dann wurden frei werdende Stellen nicht mehr besetzt. Letztlich wurde den Mitarbeitern ein Aufhebungsvertrag angeboten. Als sehr soziales Unternehmen verzichtete VW auf betriebsbedingte Kündigungen und bot Mitarbeitern, die VW freiwillig verließen, eine steuerfreie Abfindung an, gestaffelt nach der Betriebszugehörigkeit.

All diese Maßnahmen hätten VW nicht retten können, wäre der neue Golf, der den Käfer ersetzen sollte, kein Erfolg geworden.

Die Bilder gleichen sich, die Probleme und Ursachen liegen heute aber woanders:

  • Der Gewinnbringer China ist weggebrochen. VW hat seine Marktführerschaft in China verloren. Die Verkaufszahlen gehen, ähnlich wie damals beim Käfer, rapide zurück.
  • An den E-Autos wird nichts bzw. nur sehr wenig verdient. Die Entwicklungskosten müssen immer noch die Verbrenner erwirt-schaften.
  • Die erwarteten Absatzzahlen der E-Autos werden deutlich verfehlt und setzten in den betroffenen Produktionsstandorten Kapazitäten frei.
  • Die E-Modelle von VW sind keine Renner und verkommen zu Nischenmodellen.
  • Die Preise für VW-Modelle, insbesondere E-Autos, sind zu hoch, bei z. T. schlechterer Qualität.
  • Die Lohnkosten am Standort Deutschland sind zu hoch. VW-Mitarbeiter haben extrem hohe Gehälter und Löhne, bei einer 35-Stunden-Woche und vollem Lohnausgleich.
  • Die Arbeitsproduktivität ist zu niedrig. Mehr Arbeitnehmer bauen weniger Autos in längerer Zeit als die Konkurrenz.

All diese Probleme könnten nur die Ruhe vor dem Sturm sein, wenn die jungen chinesischen Hersteller beginnen, mit ihren High-Tech-Autos auf den europäischen Markt zu stürmen.

Eine Sanierung von VW ist bereits heute nur noch mit dem Brecheisen möglich. Schuldzuweisungen helfen nicht. Die IG-Metall und der Gesamtbetriebsrat von VW glauben in dieser Situation noch Tarifver-handlungen mit einer Forderung von 7 % führen zu können. Ihre Trumpfkarte ist die sozialdemokratische Regierung von Niedersachsen, denn das Land ist  mit  einer Beteiligung von 20 % ein großer Aktionär. In Niedersachsen geht es um sehr viele, gut bezahlte Arbeitsplätze. Wenn bei VW die Lichter ausgehen, dann auch in Niedersachsen. Die sechs VW-Standorte in Niedersachsen:

• Wolfsburg, ca. 65.000 Mitarbeiter bauen ca. 500.000 Autos (2023): Golf, Tiguan, Touran, Tayron.

• Hannover: 14.000 Mitarbeiter bauen Bulli, ID.Buzz, Nutzfahrzeuge

• Emden:  ca. 8.000 Mitarbeiter bauen ID.4/5, ID.7

• Salzgitter: ca. 8.000 Mitarbeiter bauen Batterien

• Braunschweig: ca. 7.000 Mitarbeiter bauen Komponenten

• Osnabrück: ca. 2.300 Mitarbeiter bauen Cabriolets, Porsche 718

Ca. 100.000 Mitarbeiter von insgesamt ca. 125.000 Mitarbeiter in ganz Deutschland leben und arbeiten in Niedersachsen. Nur noch zwei weitere Standorte befinden in Deutschland, und zwar in Kassel-Baunatal/Hessen, und in Zwickau/Sachsen:

  • Baunatal: ca. 17.000 Mitarbeiter bauen Motoren und Getriebe, Katalysator, Karosserie, Plattform, Hochlager, Logistik
  • Zwickau: ca. 7.000 Mitarbeiter bauen E-Autos ID.3, ID4./5, Cupra Born, Audi Q4 e-tron.

Müsste VW vom Staat gerettet werden, dann ist der Happen VW für Niedersachsen viel zu groß. Der Bund müsste einspringen. Unsummen wären notwendig, die vielleicht in den Sand gesetzt werden. Bei diesem hohen Risko für den Investor wird sich VW schon selbst helfen müssen.

Der VW-Vorstand verlangt aus der Sicht der VW-Mitarbeiter Ungeheuerliches. Zumutungen sind der mächtigen IG-Metall bisher unbekannt. Mit Streik zu drohen, ist aktuell bei Überkapazitäten zahnlos und hat für den VW-Vorstand keine Schrecken. Es wird ohne eine drastische Reduzierung der Kapazitäten, also ohne Entlassungen im großen Stil und ohne Werksstillegungen nicht gehen. Aber auch bei den Ansprüchen an die Gehälter wird man bescheiden werden müssen, wenn der Standort Deutschland erhalten bleiben soll.

In den Medien verbreitet sich die Nachricht Vorstand und Gewerkschaft wollten sich in der aktuellen Tarifrunde noch vor Weihnachten einigen. Darauf kann man gespannt sein.

Alle angestrebten Zumutungen werden aber vergebens sein, wenn es VW nicht schafft, attraktive E-Modelle auf den Markt zu bringen. Wenn ein Modell nicht gefällt, dann hilft auch ein günstiger Preis recht wenig.

 

 

 


Inhaber und Autor 

Dipl. oec.

GERALD BALSER



 

 

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VW-Mitarbeiter 

 

Gerald Balser 

IAA Frankfurt 1973


 Zentrale Marketingplanung

Wolfsburg 1974

 

 

AUTOMOBILMARKT NEWS


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