Eine Lanze für den Kleinwagen
Gerald Balser, 29. April 2023
Bild-Quelle: VW AG


Die Autos werden in ihren Abmessungen immer größer. Nehmen wir die weltweit bekannten Modelle von VW. Der erste VW Golf im Jahr 1974 war mit einer Länge von 3,81 m nach heutigen Vorstell-ungen ein Kleinstwagen, vergleichbar mit dem aktuellen VW up! 


Der erste VW Passat war mit 4,19 m Länge sogar 10 cm kürzer als der aktuelle VW Golf, ein Wagen der „Unteren Mittelklasse“, und nur 10 cm länger als der aktuelle Klein-wagen VW Polo. Die Vorstellungen darü-ber, was klein und groß ist, haben sich verändert. Noch deutlicher gewachsen sind die Autos in der Breite. Wer mit seinem Auto der „Oberen Mittelklasse“ unterwegs ist, für den kann es in älteren Parkhäusern und auf Parkplätzen der Supermärkte sehr unangenehm werden. Schrammen und Kratzer sind an der Tagesordnung. Die Innenstädte der Urlaubsländer in Südeuropa sind ein Alptraum.  


In Deutschland werden Autos zumeist maximal mit zwei Personen gefahren. Da unsere Autos von der Mittelklasse abwärts fast ausschließlich ein Steilheck mit großer Heckklappe besitzen, ist auf Urlaubsreisen das Gepäck eigentlich kein Thema mehr, denn die hintere Sitzreihe lässt sich problemlos nach vorne kippen. Nüchtern betrachtet ist der moderne Kleinwagen heute das ideale Auto. Leider spielen beim Auto noch ganz andere Überlegungen eine Rolle. Für viele ist es immer noch ein Statussymbol, mit dem man sich schmückt. Ein großes Auto wird dann bevorzugt, obwohl man die großen Abmessungen vielleicht gar nicht braucht. 

Entscheidet sich ein Kunde für einen Kleinwagen, dann muss der im Preis sehr niedrig sein. Leider entspricht diese Vorstellung nicht den Tatsachen. Ähnlich wie bei Textilien und Schuhen ist die Konfektions- bzw. Schuhgröße für den Preis unerheblich. Das bisschen Stoff oder Leder mehr oder weniger macht den Preis nicht aus. Entscheidend ist die Produktqualität und vor allem, beim Auto, die eingebaute Technik. Ein kleines Auto mit der neuesten Technik, komplett ausgestattet, kann nicht billig sein. Der Kunde erwartet aber heute, dass auch Kleinwagen eine ausgezeichnete Technik besitzen und beschweren sich über die unverschämt hohen Preise.

Die Umweltpolitik, die eigentlich kleine Autos gegenüber den großen, schweren Limousinen bzw. SUVs mit den hohen Verbräuchen bevorzugen müsste, wirkt aktuell kontraproduktiv. Die Ansprüche an die Hersteller hinsichtlich der Vermeidung von Emissionen sind bereits sehr hoch und werden immer höher. Zur Einhaltung der Forderungen benötigt man eine immer aufwendigere und kostenintensivere Technik. Beim Bau von großen, teuren Autos hat der Hersteller noch Luft, die fehlt aber bei kleinen Fahrzeugen, die nicht mehr teurer werden dürfen, da die Margen der Hersteller bereits heute zu klein sind, um noch rentabel produzieren zu können. Einige Hersteller haben daraus bereits die Konsequenzen gezogen und die Produktion von Kleinwagen eingestellt. Andere werden bald folgen.

Die Reduzierung wird in mehreren Stufen erfolgen:

2020: Die von jedem Fahrzeughersteller verkauften Flotten von Neufahrzeugen dürfen durchschnittlich höchstens 95 g CO2 pro Kilometer ausstoßen.

Danach muss ihr Emissionswert folgendermaßen gesenkt werden:

15 %, zwischen 2025 und 2029: Die verkauften Fahrzeuge dürfen durchschnittlich höchstens 80 g CO2 pro Kilometer ausstoßen.

37,5 % in 2030: Die verkauften Fahrzeuge dürfen durchschnittlich höchstens 60 g CO2 pro Kilometer ausstoßen.




Dies gilt für den Verbrenner. Gilt diese Formel auch für das E-Auto? Ja und nein! Der Kostentreiber beim E-Auto ist immer noch die extrem teure Batterie. Billig geht es dadurch überhaupt nicht. Ein moderner, technisch anspruchsvoller, vollelektrischer Kleinwagen kann nicht niedrig kalkuliert werden. Um die E-Autos für den Verbraucher dennoch attraktiv zu gestalten, hat die Politik die Umweltprämie erfunden. Der Betrag in Höhe von fast 10.000 Euro macht einen vollelektrischen Kleinwagen bezahlbar. Wenn der Kunde bedenkt, dass ein E-Auto im Unterhalt sehr viel billiger ist als der klassische Verbrenner, dann relativiert sich sogar der immer noch stolze Einkaufspreis.

Das platzsparende Konzept des E-Autos - dank eines sehr kleinen Motors, ohne Getriebe - erlaubt bei gleicher Grundfläche einen großzügigen Innenraum. Ein vollelektrischer Kleinwagen entspricht mindestens einem Verbrenner der unteren Mittelklasse und könnte perfekt den Vorstellungen eines Autos für jedermann, also dem Volkswagen, entsprechen. Es wäre ein wendiger, sparsamer Stadtflitzer und bei einer Reichweite von machbaren 500 km gleichzeitig ein wunderbares Reiseauto. Bei einer solch vielseitigen Verwendbarkeit und einem so hohen Nutzwert, würde sich auch eine umfangreiche Ausstattung mit moderner, digitaler Technik lohnen, die zumal vergleichsweise kostengünstig ist.


Die Frage ist, ob das die deutsche Automobilindustrie auch so sieht. Die ist eigentlich eher auf die Mittelklasse und die obere Klasse mit den schönen Gewinnmargen fokussiert. VW scheint mit dem neuen ID. 2 auf dem richtigen Weg zu sein. Die deutschen Hersteller sollten die Chinesen nicht aus den Augen verlieren. Die sind mit ihren vielen neuen Marken und günstigen Modellen bereits unterwegs nach Europa. Man muss wahrlich keine Hellseher sein. Die nächsten Jahre werden für die Zukunft der deutschen Hersteller nicht nur spannend, sondern könnten auch existenziell werden.

 




 


 


AMD

AUTOMOBILMARKT

DEUTSCHLAND

www.automobilmarktdeutschland.de



Inhaber und Autor 

Dipl. Oec. GERALD BALSER


 

 St. Pete, FL.

Oktober 2016

 

 

Über 

1.550.000

Aufrufe!!!



ACHTUNG!!!

Neue Gliederung. Noch Informativer, noch aktueller.


 


VW-Mitarbeiter 

 

Gerald Balser 

IAA Frankfurt 1973


 Zentrale Marketingplanung

Wolfsburg 1974

 

 


 

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