Wer hat Angst vor Chinas E-Autos?
Gerald Balser, 20. Januar 2023
Beim Stichwort E-Auto denkt jeder zunächst einmal an den kalifornischen Autobauer Tesla und den genialen Elon Musk. Der Welt-Marktführer aus dem Silicon Valley tauchte in Deutschland erstmals im Jahr 2015 als unbedeutendes Start-up mit einem kleinen Stand, versteckt hinten in der Halle 5, auf der IAA in Frankfurt auf. Dort standen ganz schlicht zwei Tesla-S-Modelle (Kaufpreis: 71.000 Euro). Obwohl die IAA sich das E-Auto als Motto ausgesucht hatte, spielte die neue Technik an den Messeständen kaum eine Rolle und der „Tesla Model S“ fand keine Beachtung. Das war ein Fehler, denn der auf E-Autos spezialisierte kleine Anbieter glänzte bereits damals mit super-starken Batterien, übergroßer Reichweite, überlegener Höchstgeschwindigkeit und Beschleunigung sowie mit kurzen Ladezeiten.
Die deutschen Autobauer hatten an der neuen Technik kein Interesse. Deren Benziner und Diesel waren ihr Aushängeschild. Da gab es grundsätzlich kaum etwas zu gewinnen, eher viel zu verlieren. Zur großen Überraschung wandelte sich VW zum Vorreiter der E-Autos, aber nicht aus Überzeugung, sondern weil China den Ausstieg aus dem Verbrenner für das Jahr 2030 ankündigte. Der riesige chinesische Markt, der über 40 % des VW-Absatzes erzielt, bestimmt bei VW die Richtung.
Für China hatte die Entscheidung den Vorteil, mit Hilfe der E-Autos das Smog-Problem in den Metropolen besser in den Griff zu bekommen. Das E-Auto bot außerdem die Chance, die eigene, aufstrebende Autoindustrie konkurrenzfähig zu machen. Mit der Elektrifizierung des Autos wurden die Karten für alle Teilnehmer neu gemischt.
China hatte die Chancen, die das E-Auto bieten sofort erkannt und erschloss sich über Norwegen den europäischen Markt. Dies gelang sozusagen über die Hintertür. Sie kauften und wiederbelebten europäische Tradtionsmarken, wie z.B. Volvo mit der reinen E-Marke Polestar, MG, Smart, Lotus usw. Durch den Erfolg ermutigt, drängend nun zunehmend auch reine chinesische Marken, z. B. Aiways, BYD, Nio, Ora, Seres, usw. auf den deutschen Markt.
Der Erfolg der Chinesen erscheint mir vorprogrammiert zu sein. China ist wegen seiner günstigen Produktionsbedingungen in der Lage, die Preise in allen Fahrzeugklassen unter dem deutschen Niveau zu drücken. Bei entsprechender Technik und Qualität könnten für Volkswagen & Co. ganz gefährliche Konkurrenten heranwachsen. Deutschland und Europa wären dann als E-Standort lediglich für Edelmarken und sehr teure Modelle eine Option. Um konkurrenzfähig zu bleiben, könnte sich VW entscheiden, die teure Produktion seiner E-Autos in Deutschland einzustellen und seine in China gebauten E-Autos nach Europa zu exportieren.
Aus politischer Sicht wäre ein weiterer Schritt in die Abhängigkeit von China nicht ratsam. Besser wäre es, sich an den seit vielen Jahren vernachlässigten US-Markt zu erinnern. Dort gibt es
- genügend und recht billige Arbeitskräfte,
- niedrige Energiekosten,
- eine im elektronischen Bereich gesicherte Zulieferung,
- die erforderlichen, hochqualifizierten Techniker und Ingenieure und
- einen die heimische Autoindustrie stark subventionierenden Staat.